Samstag, 24. Januar 2009
 
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Geschrieben von Rosso   
Montag, 22. Oktober 2007

Am 20.Oktober demonstrierten Hunderttausende AnhängerInnen der Linken in Rom gegen jede Form von Prekarität. Damit versuchte die italienische Regierungslinke, auf Initiative des Partito della Rifondazione Comunista (PRC), nach eineinhalb Jahren Prodi-Regierung deren Steuer endlich nach links herumzureißen und eine antimilitaristische, soziale, arbeiterfreundliche, antirepressive etc. Politik einzuleiten.

Von den vier Parteien der (sich selbst so nennenden) Regierungslinken, die sich im kommenden Jahr organisatorisch zu einer Vereinigten Linken zusammenschließen
wollen, lehnte die Demokratische Linke (SD) von Forschungsminister Fabio Mussi die Demonstration allerdings als „zu regierungskritisch" ab und haben sich die Grünen aus demselben Grund nur auf Sparflamme beteiligt. Dies ist nur eine der vielen Differenzen insbesondere zwischen PRC und SD, die nicht nur mit der besonderen Regierungs- fixiertheit des ehemaligen linken Flügels der Linksdemokraten (DS) zusammenhängen, sondern auch mit dem starken Einfluss hoher Gewerkschaftsfunktionäre der CGIL, die ängstlich um den Schutz der sog. „befreundeten Regierung" besorgt sind.

 
In einem Interview für die unabhängige linke Tageszeitung „il manifesto" vom 9.9.2007 nimmt Fosco Giannini zu beiden Themenkomplexen Stellung. Giannini (55) ist Chefredakteur der Zeitschrift „l'Ernesto" (http://www.lernesto.it/) und zusammen mit dem PRC-Abgeordneten Gianluigi Pegolo einer der führenden Köpfe der gleichnamigen linken Oppositionsströmung innerhalb der Rifondazione.

Vor dem im April 2007 erfolgten Bruch mit der heute als „Essere Comunisti" (Kommunisten Sein) firmierenden Gruppe um Claudio Grassi, Alberto Burgio und Bruno Steri, die mittlerweile ins Lager der Parteiführung übergewechselt sind, repräsentierten sie zusammen 26,4% der damals 95.000 PRC-Mitglieder.

 

Interview mit dem linken PRC Senator Fosco Giannini zu Linkspartei und Demo am 20. Oktober (geführt von Matteo Bartocci):

 
Giannini (PRC): Ja zur Demo am 20.Oktober und Nein zur Föderation der Linken

 
„Wir müssen mobilisieren, um die Regierung Prodi zu retten. Ich bin allerdings gegen eine Aufgabe von Souveränität, die eine neue sozialdemokratische Partei vorbereitet."

  „Die Demo am 20.Oktober ist grundlegend. Das muss eine beeindruckende und eine
Massendemonstration werden. Wir haben uns an dieser Initiative beteiligt und werden dabei sein. Ein kämpferischer Herbst ist die einzige Möglichkeit, um die Dinge, angefangen beim miserablen Juli-Abkommen" (das die Anhebung des Rentenalters in den kommenden Jahren von 57 auf 62 Jahre vorsieht und die weitere Prekarisierung der Beschäftigung fördert) zu verändern."

 

Ist das Deiner Meinung nach eine Demo gegen die Regierung?

 
„Im Gegenteil. Wir müssen mobilisieren, um die Regierung Prodi ‚zu retten'. Wenn sie weiter bestehen will, dann muss sie sich verändern. Es erscheint mir allerdings surreal zu sagen, dass man die Demonstration organisiert, sie aber nichts mit der Regierung zu tun hat. Das Abkommen vom 23.Juli hat nicht E.T. verfasst, sondern die Regierung Prodi. Und dieses Abkommen muss geändert werden. Diejenigen, die gegen die Demonstration sind, vergessen einen arbeiterfeindlichen Text, der das 2003 von der Regierung Berlusconi beschlossene Prekarisierungs-Gesetz Nr. 30 heilig spricht und die Überstunden steuerlich entlastet, wodurch die Arbeitszeit verlängert und den Unternehmern ein weiteres Geschenk gemacht wird. Von den Renten wird bereits gar nicht mehr gesprochen. So als wäre das Renteneintrittsalter von 62 Jahren eine bittere Pille, die man bereits geschluckt hat."

 
Siehst Du die Gefahr einer Wiederholung des 9.Juni (Anm.)? Eine leere piazza und Spaltungen in der Linken?

  „Die Demonstration wird dann ein Erfolg, wenn sie über klare Losungen verfügt. Man muss die Regierung daran erinnern, dass die Leute, die da auf die Straße gehen werden, keine Feinde sind, sondern Leute, die sie gewählt haben und die Gehör finden wollen."


Und wenn Ihr kein Gehör findet?

„Eine harte Reaktion darauf, wie der Rückzug der linken Minister (oder zumindest der Minister und Staatssekretäre von Rifondazione Comunista) aus der Regierung und der Übergang zu einer Tolerierung von außen ist nicht unwahrscheinlich. Die Kommunisten können sich nicht zu Komplizen einer derartigen Politik machen."

 
Was antwortest Du jenen, die von einer möglichen Rückkehr der Rechten sprechen?

 „Die wollen auch wir verhindern. Eine derart ruinöse Politik bereitet allerdings den Boden für eine massenhafte Ernüchterung, die zu einem Aderlass bei den Wahlen und zu einem strategischen und langfristigen Sieg der Rechten führen wird. Man sieht bereits, wie die Ideen der Rechten innerhalb der Demokratischen Partei auf dem Siegeszug sind. Daran zu denken eine Partei der Ordnung ins Leben zu rufen, ist eine Schande. Wie kann man diejenigen aufs Korn nehmen, die an den Ampeln die Windschutzscheiben von Autos putzen? Das sind die Untersten, die es überhaupt gibt! Ich gebe Dir ein Beispiel: Ich war in Kalabrien, um einen Arbeiter zu verteidigen, der von der Mafia angeschossen wurde. Er lag fünf Monate im Krankenhaus, und als er in die Fabrik zurückkommt, entlässt ihn das Unternehmen, weil er nicht mehr so arbeiten kann, wie früher. Was für ein Land ist das?"


Im kommenden Jahr findet der PRC-Parteitag statt. Siehst auch Du den „Einheitsgeist", der in den vergangenen Tagen von Claudio Grassi beschworen wurde?

 „Ich war verblüfft über die Tatsache, dass sich Grassi der Idee einer Föderation der Linken angeschlossen hat. Solange wir zusammen waren, war die Föderation inakzeptabel. Das ist eine Aufgabe politischer, finanzieller, kultureller und organisatorischer Souveränität, die eine neue sozialdemokratische Partei vorbereitet. Die Einheit der Linken in den Kämpfen (wie beim Kündigungsschutzartikel 18) ist eine Sache und die Neulancierung der kommunistischen Autonomie eine andere. Rifondazione Comunista heißt deshalb so. Es ist uns nicht gelungen, das in voller Eigenständigkeit hinzubekommen. Da stellen wir uns mal vor, was in der Förderation daraus wird! Eine kommunistische Partei ist für die Gesellschaft notwendig. Man spricht bereits von gemeinsamen Listen für das nächste Jahr. Was soll das heißen? Dass wir unser Parteisymbol aufgeben? Das lehnen wir ab!"


Werdet Ihr auf dem Parteitag einen eigenen Leitantrag präsentieren?

 „Über diesen Parteitag weiß man bislang noch wenig. Ich fordere jedoch alle dazu auf, sich nicht zu verstecken. Wer für das ‚Rote Ding' ist, sollte das klar und deutlich sagen. Und wer nur regieren will, sollte nicht darum herumreden. Wir sind dagegen!"

 

Anmerkung:

An der Demonstration des radikalen Teils der Anti-Kriegs-Bewegung einschließlich der COBAS, der Centri Sociali, der Jugendorganisation und des linken Flügels von Rifondazione Comunista) gegen den Bush-Besuch in Rom beteiligten sich offiziell – nach „italienischen Zahlen" - „150.000" (real 8.000 bis 10.000) Menschen, an der separaten Kundgebung der Regierungslinken offiziell gerade mal „500" Leute. Real waren es sogar nur 40 – 50 Funktionäre!

 

 Rosso

Der Name Rosso steht für ein Mitglied des Gewerkschaftsforums Hannover und der ehemaligen Antifa-AG der Uni Hannover, die sich nach mehr als 17jähriger Arbeit Ende Oktober 2006 aufgelöst hat (siehe: http://www.freewebtown.com/antifauni/ Rubrik „Aktuelles").

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aus www.linkezeitung.de

 

 

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